Neue Ausstellung

Das „Haus der Natur“ hat am Mittwoch, 9. April 2014, eine neue Ausstellung über die Schattenseiten seiner Vergangenheit eröffnet. Sie trägt die Handschrift des Salzburger Historikers Robert Hoffmann. In Bezug auf Leben und Werk des Museumsgründers, hohen SS-Offiziers und Beraters von Himmler, Eduard Paul Tratz, wurde hier eine didaktisch solide, vielfältige und informative Arbeit geleistet. Auch für ein Massenpublikum, das bisher nichts oder wenig erfahren hat – von chronisch braunen Verstrickungen des „Naturschutzes“, dem Tibetwahn Himmlers, antisemitischen Gewaltfantasien, Massenmorden der SS-Darwinisten, fanatischen „Wissenschaftern“ und Kriegsverbrechern. Über sieben Jahrzehnte wurden dem Publikum im „Haus der Natur“ diese Themen bewusst vorenthalten. Das hat sich nun geändert.

ABER: Warum musste es bis 2014 dauern, ehe eine solche Ausstellung möglich wurde? Konkrete Antworten und fundierte Analysen dazu findet man weiterhin nicht. Was die zuständige Politik, leitendes Personal und andere Akteure über sieben Jahrzehnte an Verharmlosung und Verdrängung gezeigt haben, das scheint hier weiterhin tabu zu sein. Es wäre ein Kernthema. Für viele bleibt die Affäre wegen dieses Mangels weiterhin ein unbeschreiblicher Skandal. Manche Beobachter erklären sich die selektive Zulassung von Themenbereichen damit, dass der heutige Direktor des Museums, Norbert Winding, schon vor seiner Amtsübernahme viele Jahre gestaltend und leitend im Museum mitgewirkt habe – ohne je öffentlich wahrnehmbar seinen geschichtsvergessenen Vorgänger Eberhard Stüber sachlich zu kritisieren. Winding weist solche Kritik vehement zurück und sieht sich selbst als großen Reformer, wie er jüngst öffentlich betonte. Eine unabhängige und interdisziplinäre Untersuchungskommission hätte der nun bestehenden Schau wohl noch einige spannende Menüpunkte hinzufügen können. Zum Szenario gehört auch, dass Führungsjobs auf mehreren Ebenen in dem – mit viel Steuergeld subventionierten – Museum traditionell ohne Ausschreibungen vergeben werden.

Was wäscht weißer?

Dem Salzburger Historiker Robert Hoffmann, dem Umfang und der darstellerischen Qualität ist dennoch großer Tribut zu zollen – auch in Anbetracht des schwierigen gesamtpolitischen Umfeldes, in dem die neue Ausstellung zustande kommen musste. In einem Schreiben an den Journalisten Gerald Lehner betonte Hoffmann, er habe mit dem Team des Hauses der Natur dabei bestens zusammengearbeitet. Aber auch Hoffmann war zu Beginn des Projektes öffentlich von Lobbyisten des Museums kritisiert worden – zum Beispiel vom früheren Landeshauptmann Hans Katschthaler (ÖVP). Dieser hatte die Problematik des Museums und seiner Geschichte über Jahrzehnte heruntergespielt. Wenige wissen: Der konservative Politiker Katschthaler war einst Schüler des Museumsgründers, Mittelschullehrers und SS-Naturforschers Tratz. Die neue Schau hat allerdings auch gestalterische Schwächen – zum Beispiel bei der hauseigenen Bewerbung:

Publizistische Sprachverwirrung oder Journalisten-Ausbildung, erste Woche, erstes Semester: Wie präsentiere ich Inhalte? So sieht die aktuelle Ankündigung der neuen Ausstellung an der Frontseite des Naturkundemuseums "Haus der Natur" in Salzburg aus. Was zieht mehr Passanten und Touristen und Nicht-Eingeweihte in die Schau? "Ein Museum für Himmler" oder "Das Haus der Natur und der Nationalsozialismus" oder "Die Ära Tratz".
Publizistische Sprachverwirrung, Beratungsbedarf, Kalkül oder Journalisten-Ausbildung, erste Woche, erstes Semester: Wie präsentiere ich Inhalte? So sieht die aktuelle Ankündigung der neuen Ausstellung an der Frontseite des Naturkundemuseums „Haus der Natur“ in Salzburg aus. Preisfrage: Was zieht mehr Passanten und Touristen und Nicht-Eingeweihte in die Schau? „Ein Museum für Himmler“ oder „Das Haus der Natur und der Nationalsozialismus“ oder „Naturwissenschaft und Rassenwahn“ oder „Die Ära Tratz“.

Hauptnutznießer des braunen Terrors

Bei der Eröffnung der neuen Schau betonte der als unbestechlich bekannte Historiker Hoffmann, über Jahrzehnte sei bisher „ein Mantel des Schweigens“ über das Naturkundemuseum gebreitet gewesen. Museumsgründer Tratz sei ein Salzburg einer der drei Männer gewesen, die persönlich am meisten von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft profitiert hätten. Allerdings geht bei Hoffmanns Metapher die Tatsache unter, dass nach dem Krieg nicht nur geschwiegen wurde. Im Gegenteil: Die Politik gewährleistete einen geschichtslosen, dreisten und ungenierten Personenkult um Direktor Tratz – bis hin zur Benennung einer naturwissenschaftlichen Forschungsstation im Gebiet des Großglockners noch im Jahr 1986. Ihr Gestalter war der heutige Museumsdirektor Norbert Winding.

Der Historiker Hoffmann durfte nun die Geschichte des Museums nur bis zum Tod von Tratz genauer unter die Lupe nehmen. Dieses plötzliche Limit war jedoch nicht in der Absicht des ursprünglichen Auftraggebers: Hofmann war dem Museum vom früheren Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreter Gerhard Buchleitner (SPÖ) mit politischem Druck verordnet worden. Buchleitner nahm dafür Kritik und Intrigen aus anderen Kreisen der heimischen Politik in Kauf, besonders aus Teilen der Salzburger ÖVP. Gegenpole: Neben Ingeborg Haller, Helmut Hüttinger und Bernhard Carl von der grünen Bürgerliste in der Stadt Salzburg war und ist Buchleitner der einzige Politiker, der sich offensiv und uneigennützig des Problems annahm. Dazu kommt im Hintergrund ein langjähriges Engagement der christlich-konservativen Salzburger Behinderten-Hilfsorganisation „Lebenshilfe“. Journalistisch ließ sich Redakteur Tom Neuhold von der Tageszeitung „Der Standard“ nicht von kritischer Berichterstattung abhalten.

Vorreiter-Rolle oder Bankrotterklärung?

Der aktuelle Museumsdirektor Norbert Winding sagte bei der Präsentation der Schau, man habe im „Haus der Natur“ gedacht, mit dem Projekt sei man spät dran. Doch man sei in Wahrheit nun Pionier und Vorreiter – in Bezug auf andere Naturkunde-Museen. Also doch noch zur Avantgarde mutiert? Grund für großes Lob und große Hoffnung auf Umbrüche? Oder ist das eine demokratiepolitische Bankrotterklärung für Naturwissenschaften, Biologie und Medizin im deutschsprachigen Raum – 69 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges? Man kann es sich aussuchen.

Kontinuitäten, viele Fragezeichen

Das Haus der Natur (HDN) hat nun auch – fast 70 Jahre nach Kriegsende – erstmals einen Überblick, wie viele seiner 900.000 Exponate ein Raubgut der Nazis sind. Das Material ist unter dem früheren Direktor, SS-Offizier und „Ahnenerbe“-Funktionär Eduard Paul Tratz ins Museum gekommen. Bericht in salzburg.ORF.at

Raubzüge von Tratz: Tageszeitung „Der Standard“ (Wien)

NS-Schatten über Naturkundemuseum: „Der Standard“

Biologie, Medizin und andere Naturwissenschaften wurden in diesem Artikel über Österreichs Zeitgeschichte von der Autorin vergessen: "Leider hat in einem Zeitungsartikel nur wenig Platz", schreibt uns dazu die Südtiroler Volkskundlerin, Historikerin und Schriftstellerin ELSBETH WALLNÖFER, die in Wien lebt und arbeitet. Ihre Liste von Fachgebieten mit institutionalisierten Gedächtnislücken hat sie am 24. Januar 2014 in der Tageszeitung “Der Standard” publiziert unter dem Titel: “Von Dirndln, Trachten und Akademikerbällen”. Ihre These vom symbolischen "Vatermord" bzw. weiteren Versäumnissen lässt sich auch in Salzburg bis in die Gegenwart beobachten – bis hin zu aktuellen Spannungsfeldern und Fragen bei Jobvergaben und der Kür von Nachfolgern – unter den Augen bzw. mit organisiert oder geduldet von verantwortlichen Politikern und öffentlichen Geldgebern. Vergrößerung: Anklicken.

Biologie, Medizin und andere Naturwissenschaften wurden in diesem Artikel über Österreichs Zeitgeschichte von der Autorin vergessen: „Leider hat in einem Zeitungsartikel nur wenig Platz“, schreibt uns dazu die Südtiroler Volkskundlerin, Historikerin und Schriftstellerin ELSBETH WALLNÖFER, die in Wien lebt und arbeitet. Ihre Liste von Fachgebieten mit institutionalisierten Gedächtnislücken hat sie am 24. Januar 2014 in der Tageszeitung “Der Standard” publiziert unter dem Titel: “Von Dirndln, Trachten und Akademikerbällen”. Ihre These vom symbolischen „Vatermord“ bzw. weiteren Versäumnissen lässt sich auch in Salzburg bis in die Gegenwart beobachten – bis hin zu aktuellen Spannungsfeldern und Fragen bei Jobvergaben und der Kür von Nachfolgern – unter den Augen bzw. mit organisiert oder geduldet von verantwortlichen Politikern und öffentlichen Geldgebern. Vergrößerung: Anklicken.

Salzburg, Ende November 2013: Eduard Paul Tratz sei ein Modernist gewesen, habe schon 1924 sein Museum gegründet. Und dass nach 1945 Teile seiner nationalsozialistischen Rassenschau über Jahrzehnte weiterhin im „Haus der Natur“ (HDN) gezeigt wurden, habe nichts mit Rassismus, Rassenwahn oder Sozialdarwinismus zu tun. Das betonte im November 2013 der Salzburger Sozio-Biologe und Vogelforscher Robert Lindner, ausschreibungsfrei zu seinem Job gekommener Sammlungsleiter im „Haus der Natur“, das von seinem privaten Freund Norbert Winding geleitet wird. Als Experte für Zeitgeschichte wurde dem Projekt von der zuständigen Politik der unabhängige Salzburger Zeithistoriker Robert Hoffmann verordnet.

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